Schon im 13. Jahrhundert wusste man es. Trotzdem entscheiden sich auch heute noch jeden Tag Menschen, dieses Wissen zu ignorieren. Manche tun es auch aus Unwissenheit. Das Ergebnis bleibt dasselbe. Andere Menschen leiden für den Erfolg des Einzelnen.
Vor ungefähr zehn Jahren hatte ich einen Traum. Ich war neidisch auf meinen Kollegen, der als rechte Hand unseres Chefs in Vertretung bestimmte Dinge entscheiden und dafür unterschreiben durfte. Das wollte ich auch haben. Ich wollte meinem Kollegen nicht diesen Status abnehmen. Ich gönnte es ihm, dass unser Chef ihm dieses Vertrauen entgegenbrachte. Aber ich war jung und ich wollte eines Tages einen ähnlichen Status in einem Unternehmen inne haben. Als ich wenige Jahre später für ein anderes Unternehmen arbeitete, in dem es viele kleine Teams mit je einem Teamleiter und einem Stellvertreter gab, hoffte ich auf eine Chance. Hey, ich habe ein kaufmännisches Fachabitur und eine kaufmännische Ausbildung. Ich war keine Quereinsteigerin. Wieso sollte ich das nicht können? Die Antwort ist einfach: Weil ich nicht über Leichen gehen will, um Erfolge zu erreichen. Was ich erreiche, habe ich entweder selbst oder in einer Gruppe erarbeitet. Ich heimse keine fremden Lorbeeren ein und ich lasse dabei niemanden auf der Strecke dorthin zurück. Ich finde Möglichkeiten, die Fähigkeiten eines jeden Einzelnen so einzusetzen, dass derjenige sich wohlfühlt und zugleich für die Sache einen Beitrag leistet. Das zeigte mir ein anderes Unternehmen, in dem ich später ein Praktikum absolvierte – eine Behindertenwerkstatt. Ich durfte mit drei jungen Frauen Probierbeutelchen in einen Werbeflyer kleben, der so gefaltet wurde, dass er wie ein Buch wirkte. Er hatte also einen vielleicht drei Millimeter breiten Buchrücken. Mir fiel nach wenigen Stunden auf, dass zwei dieser Frauen sich schwer taten und deshalb langsamer voran kamen. Die eine brauchte länger beim Falten, die andere beim geraden Einkleben der Probierbeutelchen. Was lag da näher, als die beiden zu erlösen und für sie eine eigene Produktionskette einzuführen? Die eine faltete, die andere klebte – beide waren erleichtert und zugleich konnten wir eine Stückzahl erreichen, mit der unsere Teamleiterin zufrieden war. Zur Erklärung muss ich sagen, dass es auch in Behindertenwerkstätten oft auf Stückzahlen ankommt. Die Teamleiterin war zufrieden mit meiner eigenmächtigen Entscheidung und ich merkte, dass es mir durchaus liegen kann, ein Team anzuführen – zu meinen Bedingungen.
Aber die Welt ist anders. Da sind Manager, die ihre Untergebenen ohne mit der Wimper zu zucken für ihre eigenen Fehler rauswerfen. Unternehmer, die ihre Angestellten unter Druck setzen, noch mehr zu leisten, als gesund für sie ist. Kollegen, die ihre Arbeit auf andere abwälzen, weil sie keine Lust haben, und ihren Chefs so lange damit in den Ohren liegen, dass sie völlig überarbeitet wären, bis sie es selbst glauben. Leute reden schlecht über die Konkurrenz und verbreiten womöglich sogar Lügen, nur um daraus einen Vorteil zu erlangen. Das ist doch furchtbar. Haben wir das wirklich nötig?
Ein großer Teil der Phantastikszene zeigt, dass es anders gehen kann. Da wird auf Facebook dazu aufgerufen, sich zu verlinken. Anthologieautoren organisieren eine gemeinsame Lesung und feiern anschließend ihren Erfolg. Autoren, die ihren Weg schon so weit gegangen sind, dass sie ungefähr wissen, wie die Autorenwelt funktioniert, nehmen Neulinge an die Hand und stehen bei Fragen zur Verfügung, geben Ratschläge oder prüfen die Texte. Manche gründen sogar ein Forum, um mehr Autoren eine Plattform zu geben.
Diese Menschen haben begriffen, dass man sich nichts gegenseitig nehmen muss. Man kann zusammenarbeiten und wird denselben oder sogar einen größeren Erfolg haben als alleine. Wem das nicht liegt, kann immer noch sein eigenes Süppchen kochen, aber er muss dafür nicht auf alles schießen, das sich außerhalb seiner Blase bewegt. Das ist mein Traum für die Welt.