Leserückblick Januar 2020

Der erste Monat des Jahres ist vorbei und trotz viel Arbeit konnte ich viel lesen. Ich kann ein paar tolle Bücher vorstellen.

Zuerst beendete ich von den Autorinnen Laura Schmolke und Veronika Serwotka den Roman Trance – Als die Menschen vergaßen zu leben. Darin leben die Menschen unter der Erde, und zwar ewig, denn sie haben Elysium. Nur ein gewaltsamer Tod kann ihr Leben beenden. Der Preis dafür ist ein tranceähnlicher Zustand, sodass die Menschen ihr Leben kaum wahrnehmen und eher wie Zombies tun, was man ihnen sagt. Da entdeckt Kim eine Leiche. Der Mann hat ein Tagebuch bei sich, das sie einsteckt. Beim Lesen verändert sich ihre Welt.
Die beiden Autorinnen haben eine Welt erschaffen, in der Zeit keine Rolle mehr spielt. Sie ist geradezu stehengeblieben, denn durch die Trance gibt es keinen Fortschritt. Entsprechend ist unklar, wie viel Zeit seit dem Umzug unter die Erde vergangen ist. Selbst als Kim aus der Trance erwacht, weiß sie nicht, wie alt sie ist oder wie lange sie unter der Erde lebt. Genaugenommen kann sie sich nicht einmal an ihr Leben erinnern, weder wärend noch vor der Trance. Dadurch entsteht ein leicht bedrohlich wirkendes Setting.
Natürlich bleibt Kim nicht lange die einzige Erwachte. Sie stößt auf weitere, die die Regierung stürzen wollen, damit die Menschen wählen können, ob sie in Trance ewig leben oder für beschränkte Zeit wirklich leben. Das ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen und dummerweise kennt einer von ihnen Kim. Er weiß etwas über sie und droht ihr. Dabei kann sie sich an nichts erinnern. Insgesamt sind die Personen einzigartig. Sie tragen Decknamen, damit sie die Gruppe nicht verraten können, sollten sie von der Regierung geschnappt werden. Diese Namen spiegeln zugleich den Kern ihres Charakters wieder. Ich mochte sie und konnte die Beweggrunde eines jeden nachvollziehen.
Der Stil ließ sich sehr gut lesen. Die Geschichte wird durch die Tagebucheinträge aufgelockert, sodass ich gleich an zwei Fronten mitfieberte. Ich habe das Buch verschlungen, obwohl ich wenig Zeit hatte.
Als kleines Extra ziert die letzte Seite jedes Kapitels die Grafik eines aufgeschlagenen (Tage-?)Buchs. Mit solchen Schnörkeleien halten sich die wenigsten Verlage auf. Ich weiß es zu schätzen. Ich bin eben eine Verfechterin für Bilder in Büchern für „die Großen“. Das erfreut nicht nur das Auge, sondern spricht auch das innere Kind an, und wen das nicht interessiert, muss sie ja nicht minutenlang betrachten, sondern kann sie überblättern.
Ich bin happy mit dem Buch, zumal ich eine Widmung von einer der Autorinnen bekommen habe.

Anschließend las ich die Anthologie Der Tag der toten Katze. Cornelia Wriedt kam der Satz „Ich hasse es, wenn der Tag damit beginnt, dass ich eine überfahrene Katze begraben muss.“ in den Sinn. Sie fand, dass er sich prima als ersten Satz für eine Geschichte machen würde, wollte ihn aber nicht selbst verwenden. Da sie fand, er sei zu schade, um in Vergessenheit zu geraten, bot sie ihn online an. Geli Grimm nahm dieses Geschenk gerne an und so entstand die Anthologie, in der alle Geschichten mit diesem Satz beginnen.
Es sind 14 Geschichten, jede anders, obwohl es doch immer um überfahrene Katzen geht. Kaum zu glauben, welche Vielfalt man trotzdem erschaffen kann.
Vor allem die Geschichten, die aus Sicht der Katzen geschrieben sind, haben es mir angetan. Ich finde, dass ihr Charakter darin besonders gut zur Geltung kommt. Aber auch die anderen Figuren sind gut gelungen. Oft sind sie etwas verschroben oder skurril.
Es hat echt Spaß gemacht, dieses schmale Bändchen zu lesen. Ich hatte zunächst etwas Angst davor. Ich liebe Katzen. Aber der befürchtete Schmerz, die Trauer um die toten Katzen, blieb aus, weil die Geschichten nicht auf den Verlust abzielten. Ich bin froh, den Mut aufgebracht zu haben, das Buch zu kaufen.

Es folgte von Sarah Neumann Die Schicksalsseherin. Darin versiegt in der Welt der Kobolde die Glücksproduktion, aber dieses Glück ist immens wichtig, denn die Kobolde bringen es in die anderen Welten, um damit das Leben lebenswert zu machen und auch Leben zu retten. Die Kobolde sind in Aufruhr. Myriel glaubt, den Ursprung dieses Verderbens zu erkennen, und will handeln.
Kobolde! Mit ihnen verbinde ich Töpfe voll Gold, die am Ende des Regenbogens ausgegraben werden können, und Schabernack. Ihnen ist das Glück hold. Da ist es naheliegend, dass sie das Glück im Universum verteilen und eine eigene Welt bevölkern. Ich finde die Idee toll. Der Gedanke, dass es verschiedene Abteilungen gibt, die sich um Kriege, Glücksspiel, eine glückliche Zukunft uvm. kümmern, hat was. So zog mich dieses Buch in die Koboldwelt, wo die Kobolde in Bäumen leben, ein Mammutbaum das Zentrum ihrer Macht und zugleich wichtiger Treffpunkt für Versammlungen ist und viele verschiedene Blumen Aufgaben erfüllen, sei es als Lichtquelle, Aufzug, Kleid oder Lautsprecher etc. Die Kobolde besitzen besondere Fähigkeiten wie z. B. das Lenken anderer Lebewesen wie an Marionettenfäden, das Sehen der Zukunft oder das Beeinflussen der Gefühle eines Anderen. Ach, es gibt einfach furchtbar viel in der Koboldwelt zu entdecken!
In dieser Geschichte sind Myriel und Seith die wichtigsten Figuren. Die Kapitel erzählen abwechselnd aus ihren Perspektiven. Sie gehören zwei verfeindeten Familien an und wüssten diese, dass die Beiden sich mögen und heimlich treffen, gäbe es mächtigen Ärger, zumal Beide unglücklich mit anderen Kobolden verlobt sind. Aber sie gehören eben auch zwei sehr mächtigen Familien an, sodass sie sich in ihre Rollen widerwillig fügen wollen. Ich mag die Beiden. Obwohl von ihnen einiges erwartet wird, stellen sie sich dagegen, schauen über ihren Tellerrand hinaus und sind bereit, Opfer zu bringen.
Insgesamt ist die Geschichte sehr toll erzählt. Ich hatte anfangs leichte Schwierigkeiten, in die Geschichte einzutauchen, aber das liegt vermutlich daran, dass ich die Kobolde unserer Erde zuordne und mich schwertat, zu verstehen, dass sie einen eigenen Planeten haben, auf dem sie zuhause sind. Das ist aber eigentlich nebensächlich und diese Schwierigkeit verblasste schnell, weil die Geschichte so mitreißend ist. Spätestens nach 2/3 der Geschichte war es sowieso um mich geschehen, weil dann die Spannung merklich anzog. Es wurde richtig ernst. Ich wusste, wer welche Ziele verfolgt und wie er zu den anderen Kobolden steht, und was das für Konsequenzen haben muss. Entsprechend schnell hatte ich die letzten hundert Seiten verschlungen.
Mir hat es in der Koboldwelt unheimlich gut gefallen und das Ende hat mich für die anfängliche kleine Orientierungsschwierigkeit mehr als entschädigt.

Als letzten Roman im Januar las ich von Sophia Farago Schneegestöber. Es spielt in England, 19. Jahrhundert. Die Mädchen Kitty und Mary Ann leben auf einer Mädchenschule für höhere Töchter. Mary Ann wird bald 21 und hätte längst ihr Debut geben müssen, doch ihr Bruder und Vormund verlängert lieber den Vertrag mit der Schule um weitere vier Jahre. Kitty wird bald 18, aber durch ihr spanisches Temperament hat sie es schwer, sich in die englischen Sitten zu ordnen. Noch bevor sie, wie von ihrer Tante versprochen, zu ihrem 18. Geburtstag abgeholt werden kann, um ihr Debut zu geben, fliegt sie von der Schule. Da sie Mary Ann dort nicht alleine versauern lassen will, nimmt sie sie mit auf ihre Reise zu ihrem zweiten Vormund, Onkel St. James. Doch dieser denkt nicht daran, seine Nichte zu empfangen, und die Mädchen haben auf ihrer Reise ihr letztes Geld ausgeben müssen …
Das Buch ist von 1996. Es ist also noch in der alten Rechtschreibung verfasst und auch die modernen Stilmittel, die ich als Autorin kenne, suchte ich vergebens – was nicht heißen soll, dass ich den Roman deshalb schlecht oder altbacken fand. Im Gegenteil, ich fand diesen älteren Schreibstil erfrischend ehrlich, weil mir nicht über eine halbe Seite erklärt wurde, wie sich die Verliebtheit der Mädchen anfühlt, sondern weil einfach da stand, dass sie verliebt sind. Punkt. So einfach kann es sein.
Trotzdem fand ich die Figuren gut gezeichnet. Die Geistlichen hatten ihre religiösen Ansichten bzw. sogar Marotten, die Mädchen waren nicht zu gegensätzlich, sich aber auch nicht zu ähnlich, sodass ich sie gut unterscheiden konnte, und auch die Männer ihrer Herzen und Nebenfiguren hatten ihren Charme. Schön fand ich, wie sich alles zusammenfügte, dass die Menschen sich um ein oder zwei Ecken kannten und die Herzenswünsche des Einen sich auf die Anderen auswirkten. Ich muss aufpassen, nicht zu viel zu verraten. Daher bleibe ich kryptisch.
Die Geschichte an sich fand ich sehr spannend und nach den vielen Fantasyromanen der letzten Zeit auch entspannend, weil das 19. Jahrhundert jetzt nicht so viel Fantasie von mir verlangte. Sie ist herrlich normal, trotz ihrer Verstrickungen und Romantik. Ich habe diesen Roman verschlungen.

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